von Alexander Langheiter
Dieser Artikel erschien im Evangelischen Gemeindeblatt Miesbach Dezember 2016
„Also hat Gott die Welt geliebt“ (Joh. 3,16)
Mit einem Bibelspruch aus dem Johannesevangelium verabschiedete sich Wolf Dietrich von Maxlrain aus dem irdischen Leben. Der erst vor kurzem im Regensburger Stadtmuseum wiederentdeckte schöne Renaissance-Grabstein des Reformators überliefert diesen Satz. Damit wird uns Auskunft gegeben, dass Wolf Dietrich ein tief im Glauben verwurzelter Mensch war, der trotz all der Anfeindungen und Niederlagen sich nicht von seinem Glauben abbringen lassen wollte.
Aber blicken wir zurück auf den Anfang: Wolf Dietrich übernahm 1561 nach dem Tode seines Vaters Wolfgang (um 1490 -1561, regierte ab 1518) die Regierung in der kleinen Herrschaft Waldeck (erst ab 1637 Grafschaft Hohenwaldeck). Mit seinem Namen ist die Reformation in unserer Gegend verbunden, da er sie gegen den mächtigen bayerischen Nachbarn zu verteidigen suchte und letztlich doch scheiterte.
Wann die Neue Lehre, wie damals die protestantische Konfession häufig genannt wurde, begonnen hatte, sich in in der Herrschaft auszubreiten, ist nicht datierbar. Wir wissen jedoch, dass schon Wolfgang von Maxlrain die Ausbreitung der Reformation duldete. Er bekannte sich zwar erst kurz vor seinem Tode zur Neuen Lehre, doch war seine Frau Anna von Frundsberg (um 1500-1554) von Kindheit an Protestantin. Anna war eine Tochter des berühmten Vaters der Landsknechte, Jörg von Frundsberg, und mag vielleicht dessen starken Willen geerbt haben. Mit einiger Sicherheit kann man davon ausgehen, dass sie für die Prägung ihres Sohnes Wolf Dietrich großen Einfluss ausübte.
Wolfgang von Maxlrain war bemüht, seine Herrschaft zu festigen und auszubauen. Um die Reichsunmittelbarkeit endgültig zu erreichen, musste er 1559 mit dem bayerischen Herzog Albrecht V. den sog. Salzburger Vertrag abschließen. Dabei wurde aber die Klausel eingeführt, dass in Fragen der Religion keine Änderungen vorgenommen werden dürften, was später die Rekatholisierung legalisierte.
Der Kampf um Unabhängigkeit vom bayerischen Nachbarn steht auch vor dem Hintergrund eines allgemeinen Existenzkampfes des alten Adels. Dieser sah sich im 16. Jahrhundert Tendenzen der Mächtigen des Reiches ausgesetzt, ihre althergebrachten Vorrechte zu schmälern und die Macht an ihren Höfen im Sinne eines Frühabsolutismus zu bündeln. Die Adelshäuser nutzten dabei auch die Glaubensfrage, um ihre unabhängige Stellung zu verdeutlichen.
Auch innerhalb von Waldeck war Wolfgang von Maxlrain um eine Festigung seiner Herrschaft bemüht. Er ordnete wichtige Rechte neu und stiftete beispielsweise mit seiner Gemahlin Anna 1552 in Miesbach das Spital am Gschwendt (bzw. Bruderhaus, heute AWO-Altenheim Inge-Gabert-Haus). Seit Jahrhunderten waren soziale Einrichtungen fast ausschließlich mit Klöstern verbunden gewesen. Dass gerade in Zeiten der Reformation die Maxlrainer ein Spital gründeten, zeugt von ihrem Willen, einen Einfluss der benachbarten Klöster Weyarn und Tegernsee mit ihren Spitälern zu begrenzen.
Auch in der heutigen katholischen Stadtpfarrkirche in Miesbach kann man Spuren eines neuen Denkens entdecken. Die Kirche musste nach dem Stadtbrand von 1527 neu erbaut werden. Dabei kam ein weiter Chor hinzu, der nun die Gruft der Maxlrainer aufnahm. Die alte Familiengrablege im Kloster Beyharting wurde dafür aufgegeben. Die in unserer Gegend ungewöhnliche Größe des Chors lässt zudem vermuten, dass ein eigenständiger Memoralkult geplant war, wie er sich etwa in der Marktkirche in Ortenburg erhalten hat, wo große Grabdenkmäler der protestantischen Grafen Zeugnis von Macht und Glauben der protestantischen Ortenburger Grafen geben.
In der Ausgabe Okt./Nov. 2016 des Evangelischen Gemeindeblattes hat Dr. Roland Götz bereits ausgeführt, dass die Visitation des Bistums Freising im Jahre 1560 zeigte, wie es um den Glauben im heutigen Landkreis Miesbach bestellt war. Wolfgang von Maxlrain sorgte als Herr von Waldeck dafür, dass die ihm untertänigen Geistlichen nicht befragt werden konnten, was deutlich die Hinwendung zur Reformation zeigt. Die in den benachbarten Pfarreien Au bei Bad Aibling, Irschenberg und Neukirchen deutlich gewordene Hinwendung zur Neuen Lehre – wohl von den Maxlrainern beeinflusst – zeigt indirekt, wie man sich das Glaubensleben in Waldeck vorzustellen hat.
War unter Wolfgang von Maxlrain die Reformation offiziell nur geduldet, aber nicht offen eingeführt worden, so änderte sich dies mit dem Regierungsantritt seines Sohnes Wolf Dietrich (1523/24-1586) im Jahre 1561. Wolf Dietrich trat offen für die Sache Luthers ein und sollte damit dem Waldecker Ländchen eine Sonderrolle in der bayerischen Kirchengeschichte sichern. Als Zweitgeborener war Wolf Dietrich zunächst für den geistlichen Stand bestimmt worden und hatte früh Anwartschaften auf Kanonikate in Augsburg und Salzburg inne. Als aber sein älterer Bruder Wolf Georg starb, war er der nächste Erbe und vollendete seine Ausbildung an der Universität Ingolstadt. Noch vor seinem Regierungsantritt trat er zudem in bayerische Dienste und wurde Pfleger von Ried im damals noch bayerischen Innkreis. Hier wurde er erstmals als Unterstützer von Protestanten aktenkundig, als er den ehemaligen Pfarrer von Au, David Preu, aufnahm.
Als überzeugter Protestant engagierte sich Wolf Dietrich in der bayerischen Adelsopposition gegen den Herzog. Die als „Konfessionalisten“ bekannten Adeligen hatten sich um ihre Führer, zu denen neben Wolf Dietrich von Maxlrain noch Graf Joachim von Ortenburg und Pankraz von Freyberg gehörten, geschart und erklärten 1563 auf dem Landtag von Ingolstadt öffentlich ihren Übertritt zum Protestantismus. Zugleich forderten sie Zugeständnisse von Herzog Albrecht V. in Glaubensfragen, letztlich die Duldung der protestantischen Konfession. In der Folge ging der Herzog streng gegen die Adeligen vor und zwang auch Wolf Dietrich zur Unterwerfung.
Dieser ging nun zunächst vorsichtiger vor, doch war Waldeck in der Folge als Zufluchtsort für verfolgte Protestanten bekannt. Erst gegen Ende der 1570er Jahre trat Wolf Dietrich wieder mutiger auf. Zu den Gottesdiensten, für die er protestantische Geistliche anwarb, kamen Gläubige sogar aus benachbarten Pfarreien. Immer vehementer forderten nun seit 1579 der neue Herzog Wilhelm V. und der Freisinger Bischof Ernst die Rückkehr zur katholischen Kirche. Sie verlangten die Entlassung des Parsberger Pfarrers Peter Albers, für den Wolf Dietrich den treuen Katholiken Georg Prucker einsetzen musste. Auch die Absetzung des Miesbacher Predigers Abraham Preu musste Wolf Dietrich schließlich akzeptieren. Trotzdem bekannte sich noch immer der Großteil der Einwohnerschaft, zusammen mit ihrem Herrn, zum protestantischen Glauben.
Die endgültige Rekatholisierung erzwang der Herzog schließlich 1583/84 mit Hilfe einer Handelssperre, die von Hans Kaspar von Pienzenau durchgeführt wurde. Wer nicht katholisch werden wollte, wurde zur Emigration nach Tirol und Regensburg gezwungen. Um die Rückkehr Miesbachs in den Schoß der katholischen Kirche zu besiegeln, verlegte man 1584 den Pfarrsitz von Parsberg an die Frauenkirche in Miesbach.
Wolf Dietrich nahm persönlichen Anteil am Schicksal seiner Untertanen, bei denen er sehr beliebt war, wie sein Freund, der bayerische Gelehrte Wiguleus Hundt überliefert. Als
Reichsherr musste er seinem Glauben nicht abschwören und blieb bis zu seinem Tod Protestant.